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07.06.2021

Welches Potenzial hat die Haltung von Zweinutzungshühnern im Öko-Landbau?

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Im Öko-Landbau werden zunehmend Zweinutzungshühner als Alternative zu konventionellen Hybridzüchtungen eingesetzt. Lange Zeit galt die Haltung als unrentabel. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert, meint Inga Günther von der Ökologische Tierzucht GmbH (ÖTZ). Sie muss es wissen, denn die ÖTZ züchtet seit 2015 Zweinutzungsrassen und kümmert sich um die Vermehrung und den Verkauf.

Die Rasse "Cream" ist eine von drei Zweinutzungsrassen, die im ÖTZ gezüchtet wurden. Foto: Demeter/Pixxio-Media

Die Haltung von Zweinutzungshühnern ist schon seit vielen Jahren im Gespräch. Zweinutzungsrassen gelten als tierfreundliche Alternative zu den auch im Öko-Landbau genutzten Hybridrassen, die einseitig auf Legeleistung gezüchtet sind und das ethisch fragwürdige Töten männlicher Küken erforderlich machen. Doch lange Zeit galten Zweinutzungshühner als unwirtschaftlich wegen ihrer vergleichsweise geringen Legeleistung und einer deutlich längeren Mastdauer der Hähne.

Doch das hat sich inzwischen geändert, wie Inga Günther bestätigt. Günther ist Geschäftsführerin der Ökologische Tierzucht GmbH (ÖTZ), die von den Verbänden Bioland und Demeter gegründet wurde. Seit 2015 arbeitet man hier an der Züchtung von Zweinutzungsrassen für die ökologische Haltung. Mit den Tieren "Cream" und "Coffee" und "Bresse Gauloise" bietet die ÖTZ gleich drei Rassen, die sich offensichtlich in der Praxis bewährt haben.

Inga Günther ist Geschäftsführerin der Ökologische Tierzucht GmbH (ÖTZ), die sich auf die Zucht von Zweinutzungsrassen spezialisiert hat. Foto: Demeter

Starke Nachfrage

"Wir können uns vor Nachfrage kaum retten", berichtet Günther. Mehr als 110.000 Tiere männlichen und weiblichen Geschlechts wurden im Jahr 2020 von Bio-Betrieben nachgefragt. Das ist im Vergleich zu etwa 5,3 Millionen Bio-Hennen in Deutschland allerdings noch sehr wenig.

Dennoch scheint das Wachstum im Bereich Zweinutzungsrassen stabil zu sein. Die hohe Nachfrage hat sich bisher auch im laufenden Jahr fortgesetzt. Günther schätzt die Zahl der Betriebe, die zurzeit mit Zweinutzungsrassen der ÖTZ arbeiten, auf über 100. Die Bestände liegen zwischen 50 und 4.000 Tieren pro Betrieb.

Zwei Rassen dominieren den Markt

Dabei dominieren die ÖTZ-Rassen derzeit den überschaubaren Markt der Zweinutzungshühner für die ökologische Erzeugung. Zwar gibt es auch alte Zweinutzungsrassen wie das Sulmtaler Huhn oder neuere Züchtungen wie "Lohmann Dual" der Firma Lohmann Tierzucht. Aber diese Rassen konnten sich bislang in der Praxis nicht durchsetzen.

Mit Legeleistungen von etwa 230 Eiern pro Jahr und einer Mastdauer von 17 Wochen bis zum gewünschten Schlachtgewicht von 2,7 Kilogramm Lebendgewicht liegen die Leistungen der beiden ÖTZ-Rassen weit unter denen der Hybridrassen. Diesen Vergleich hält Günther aber nicht für zielführend. Sie verweist darauf, dass die Zucht von Zweinutzungstieren ganz bewusst in eine andere Richtung steuert: "Wir wollen ja gerade weg von der Hochleistung. Denn die hat ihren Preis, den in der Regel das Tier zahlt. Beim Zweinutzungshuhn ist das Tierwohl dagegen von vornherein eingeschlossen."

Robuster und anpassungsfähiger

Doch es gibt aus ihrer Sicht weitere Argumente, die für diese extensiveren Rassen sprechen. So können sich die Tiere zum Beispiel besser anpassen an wechselnde Bedingungen. Größere Temperaturschwankungen oder unterschiedliches Futter macht ihnen in der Regel nichts aus. "Das passt gut zu den Bedingungen im Öko-Landbau", ist Günther überzeugt.

Vor allem in der Fütterung sieht sie den Schlüssel zur wirtschaftlichen Haltung von Zweinutzungshühnern. Denn statt hochkonzentriertem Energie- und Eiweißfutter, auf das Hybridzüchtungen in der Ei-Erzeugung und Mast angewiesen sind, kommen Zweinutzungstiere aufgrund ihrer geringeren Leistung problemlos mit weniger anspruchsvollen Komponenten zurecht. Das können zum Beispiel heimische Futtermittel wie Ackerbohne und Getreide sein oder auch Reststoffe wie etwa altes Brot, soweit es als Futtermittel zugelassen ist.

Preisaufschläge hängen von Erzeugerkosten ab

Dennoch ist klar, dass Betriebe mit Zweinutzungshühnern höhere Kosten haben und deshalb auf höhere Preise angewiesen sind. Diese liegen laut Günther zwischen 50 und 80 Cent pro Ei und bei 14 bis 19 Euro pro Kilogramm Fleisch auf Verbraucherebene. "Welcher Aufschlag notwendig ist, hängt sehr stark von der individuellen Betriebsstruktur und den damit verbundenen Kosten zusammen", sagt Günther. "Auch die Zahl der gehaltenen Tiere, die Art der Vermarktung und die Größe der Abnehmer beeinflussen natürlich den Auszahlungspreis."

Trotz dieser im Vergleich zu konventioneller Ware sehr hohen Preise, gibt es einen wachsenden Markt für Eier und Fleisch aus der Haltung von Zweinutzungsrassen. Große Handelsketten wie Edeka, Rewe und Tegut gehören inzwischen zu den regelmäßigen Abnehmern vieler Bio-Betriebe. Einige Ketten suchen bereits gezielt Betriebe, die sie mit Produkten von Zweinutzungshühnern beliefern können.

Haltung hat sich in der Praxis bewährt

Offensichtlich steigt in der Gesellschaft die Bereitschaft, mehr Tierwohl über höhere Preise zu unterstützen. Das bestätigt auch Anja Lindner, Betriebsleiterin des LindenGuts in Dipperz am Westrand der Rhön. Sie hält auf ihrem Mischbetrieb etwa 700 Hennen der Rassen "Cream" und "Coffee" und knapp 500 Hähne im Jahr. Die Hennen legen etwa 230 Eier im Jahr und werden im Schnitt 18 Monate alt. Gehalten werden sie in Hühnermobilen, deren Standort wöchentlich gewechselt wird.

Lindner bestätigt, dass die Hennen sehr anpassungsfähig sind. Auch bei extremen Minusgraden können die Tiere problemlos im Hühnermobil gehalten werden. Der Futterbedarf pro Henne liegt bei 140 bis 150 Gramm, gefüttert wird 60 Prozent betriebseigenem Weizen und zugekauften Demeter Ergänzungsfutter. Mit Preisen von 50 bis 55 Cent pro Ei kann der Betrieb wirtschaftlich arbeiten. Hinzu kommen die Einnahmen aus der Vermarktung von Suppenhühnern und männlichen Tieren.

Kostengünstige Haltung der Hähne

Die Hähne werden ab der zehnten Woche von den Junghennen getrennt und in einem kostengünstigen, versetzbaren Folientunnel gehalten. Sie erhalten Gras, Weizen und Mineralien, bei einer Futteraufnahme von etwa 150 Gramm pro Tier und Tag. Im Alter von 17 bis 18 Wochen sind sie schlachtreif mit einem Gewicht von 2 bis 2,2 Kilogramm.

Etwa die Hälfte der Ware vermarktet der Hof direkt, der andere Teil wird in einem ausgegliederten Bio-Catering-Unternehmen verarbeitet. Eine Querfinanzierung der männlichen Tiere über einen höheren Preis für die Eier ist nicht notwendig, die Hähne finanzieren sich laut Lindner selbst. Die Kundinnen und Kunden schätzten vor allem den guten Geschmack des Fleisches und seien dafür bereit, mehr Geld auszugeben.

Die Hähne lassen sich kostengünstig in Folientunneln halten. Foto: W-E-G GmbH & Co. KG

Zusammenarbeit mit Elterntierbetrieben und Brütereien

Das LindenGut bezieht seine Zweinutzungstiere von der ÖTZ. Die Nachzucht stellt die Züchtungseinrichtung über eine enge Zusammenarbeit mit mehreren Elterntierbetrieben und spezialisierten Brütereien sicher. Die Zweinutzungshühner können je nach Betriebskonzept als Küken, mit sechs Wochen oder mit 18 Wochen zur Legereife bezogen werden.

Wer bei den Partner-Brütereien der ÖTZ Zweinutzungshühner kauft, verpflichtet sich damit automatisch zur Abnahme von Hähnen, die immer entsprechend dem Alter der Hennen mitgeliefert werden. "Das heißt, wer zum Beispiel legereife Hennen bezieht, bekommt geschlachtete Bruderhähne zur eigenen Vermarktung", erklärt Günther. Damit wird sichergestellt, dass alle männlichen Tiere wie gewünscht verwertet werden.

Die ÖTZ arbeitet für die Vermehrung der Zweinutzungrassen mit verschiedenen Aufzuchtbetrieben zusammen. Foto: Demeter/Pixxio-Media

Haltung von Zweinutzungshühnern hat sich etabliert

Insgesamt hat sich nach Einschätzung von Günther die Zweinutzungshaltung im Bereich Verbands-Bio als Alternative zum Kükentöten etabliert. Auch wenn das Segment derzeit noch sehr klein ist, geht sie von weiterem Wachstumspotenzial aus. Denn sie registriert ein wachsendes Interesse am Thema von Seiten des Handels, aus der Praxis im benachbarten Ausland und auch aus der Politik. "Wir professionalisieren uns mit der Züchtung auf allen Ebenen. Und parallel dazu professionalisieren sich auch die Betriebe und die Vermarktung", sagt Günther. "Deshalb bin ich bezüglich der weiteren Entwicklung sehr zuversichtlich."

Quelle: www.oekolandbau.de / BLE

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