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20.04.2021

Steigende Nachfrage nach deutschen Bio-Kartoffeln

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Wie hat sich die Anbaufläche von Bio-Kartoffeln in Deutschland entwickelt? Welche Rolle spielt Regionalität bei der Kaufentscheidung? Aktuelle Marktzahlen und Einblicke in die Vermarktungspraxis finden Sie hier.

Über die Umverpackung lassen sich viele Informationen über das ökologische Erzeugnis vermitteln. Quelle: Eva und Alexander Fuchs

Deutsche Anbaufläche gestiegen

Die Anbaufläche von Bio-Kartoffeln in Deutschland ist nach langen Jahren der Stagnation seit 2017 erheblich gestiegen. Viele konventionelle Betriebe haben auf die ökologische Kartoffelerzeugung umgestellt. Auch bestehende Bio-Kartoffelbetriebe haben ihre Flächen vergrößert. Die seit 2017 steigenden Absatzzahlen bei Bio-Kartoffeln und eine gute Erlössituation für die Erzeugung der Bio-Speisekartoffeln hat die Flächenausweitung forciert. Für 2019 weist eine Erhebung der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI) anhand der Angaben der Öko-Kontrollstellen eine ökologische Kartoffel-Anbaufläche von insgesamt 10.100 Hektar aus. Dies sind über 1.000 Hektar mehr als noch 2017. Auf dem größten Teil, insgesamt 8.800 Hektar, wurde 2019 Bio-Speisekartoffelnangebaut. Für 2020 wird mit einem weiteren Anstieg der Flächen gerechnet, sodass sich der deutsche Markt zunehmend mit inländischer Speiseware versorgen lässt. Branchenbeteiligte raten daher zu einem weiteren Flächenwachstum mit Augenmaß, um den Markt nicht zu überversorgen.

Mit über 2.500 Hektar steht Niedersachsen an erster Stelle, wenn es um den deutschen Bio-Kartoffelanbau geht. Allerdings zieht Bayern Jahr für Jahr nach und kam 2019 auch schon auf über 2.400 Hektar. Die Anbaustrukturen unterscheiden sich im Süden von den Verhältnissen in Norddeutschland. Im Gegensatz zu den meist großen Betrieben im Norden finden sich in Bayern eine Vielzahl kleinflächiger Bio-Betriebe, die schwerpunktmäßig auf die Direktvermarktung ausgerichtet sind. Die großen Betriebe haben sich der Belieferung des LEHs verschrieben. Auch in Rheinland-Pfalz wurde 2019 die Anbaufläche von Bio-Kartoffeln erweitert. Betriebe aus der Pfalz waren früher dank des klimatischen Vorteils als erste Anbieter von Bio-Frühkartoffeln auf dem Markt. Zunehmend kommen nun auch aus Bayern schalenfeste deutsche Frühkartoffeln in den Lebensmittel-Einzelhandel.

Der Anbau von Bio-Kartoffeln ist in den vergangenen Jahren ausgeweitet worden. Quelle: AMI

Bio-Kartoffeln im konventionellen Lebensmittel-Einzelhandel

Von 2015 bis 2020 stieg die Nachfrage nach Bio-Kartoffeln um über 30 Prozent, so die AMI-Analyse auf Basis des GfK-Haushaltspanels. Über Zweidrittel der 2020 gekauften Bio-Kartoffeln wurden im konventionellen LEH erworben, davon der Großteil in den Discountern. Zuletzt haben die Vollsortimenter wie Edeka und REWE wieder Boden gut gemacht: 2020 generierten sie 28 Prozent der Bio-Kartoffelverkäufe – zwei Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor. Die Vollsortimenter haben in Pandemiezeiten von dem geänderten Einkaufsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher profitiert. Aber auch Sortimentserweiterung und die Ausweitung des regionalen Angebots haben das Interesse der Kundschaft für Bio-Kartoffeln gesteigert. Bereits bei den Ergebnissen des Ökobarometers 2019 zeigte sich, dass den befragten Haushalten bei den Kartoffeln die regionale Herkunft besonders wichtig ist.

Die privaten Haushalte gaben 12 % ihrer Kartoffelausgaben für Bio-Kartoffeln aus.

Lidl hat 2019 den Anfang gemacht

Seit 2019 hat der Discounter Lidl durch eine Kooperation mit Bioland die inländische Erzeugung von Bio-Produkten gestärkt. Bio-Kartoffeln sind seit der Saison 2020 bei Lidl mit dem Bioland-Logo erhältlich. Der Absatz von Bio-Produkten, die nach den Richtlinien der Anbauverbänden wie Bioland, Naturland und Demeter erzeugt wurden, waren vorher größtenteils den Bioläden vorbehalten. Kaufland ist Mitglied im Anbauverband Demeter und hat einen Markennutzungsvertrag geschlossen. Naturland ist schon seit über zehn Jahren Lieferpartner von REWE. Im Herbst 2020 hat REWE auch einen Demeter-Partnervertrag abgeschlossen.

"Wir müssen allerdings abwarten, ob die steigende Nachfrage von Dauer ist", warnt Monika Tietke, Geschäftsführerin des Bio Kartoffel Erzeuger e.V. (BKE). Der Verein bündelt die Interessen von etwa 240 Bio-Kartoffelbetrieben mit aktuell circa 4.700 Hektar. Die Mitgliedsbetriebe des Vereins erzeugen etwa 70 Prozent der Bio-Speisekartoffeln für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Pro Woche werden 2.500 bis 3.000 Tonnen abgepackte Bio-Kartoffeln über den LEH verkauft.

Drei Fragen an Monika Tietke

Monika Tietke ist selbst Landwirtin und bewirtschaftet mit ihrem Mann seit über 30 Jahren einen großen Betrieb nach Naturland-Richtlinien.

Oekolandbau.de: Gibt es Unterschiede bei den im konventionellen Handel angebotenen Bio-Kartoffeln und den Knollen bei der Landwirtin und dem Landwirt nebenan? Was sind die Verkaufsargumente in der Direktvermarktung?

Tietke: In der Qualität gibt es erst einmal keine Unterschiede. Im Lebensmitteleinzelhandel wird der Beutel „auf den ersten Blick“ gekauft. Die Optik steht oft im Vordergrund, leider! Auch eine Bio-Kartoffel, die vielleicht eine Delle oder Verfärbung auf der Schale hat, schmeckt genauso gut und hat die gleichen Inhaltsstoffe. Im Hofladen oder auf dem Wochenmarkt können solche Unterschiedlichkeiten direkt erklärt werden. Es gibt zum Beispiel eine neue Sorte mit roten Rändern um die „Augen“, der Name daher Pocahontas. Die schmeckt super, im klassischen Beutel im LEH sieht sie aber aus, als hätte sie Masern… Die kauft dann keiner mehr.

Oekolandbau.de: Welche Sorten sind besonders gefragt im Handel?

Tietke: In der Vergangenheit haben viele Züchter auf eine glatte möglichst ebene Schale gesetzt, das ist häufig zu Lasten des Geschmacks gegangen. Zurzeit gibt es viele Sorten, die robust sind und damit den Packprozess für den Lebensmitteeinzelhandel gut überstehen und gut schmecken.

Oekolandbau.de: Seit einiger Zeit steht der Begriff „Regionalität“ ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Was bedeutet das konkret für die Herkunft der Bio-Kartoffeln? Welche Initiativen gibt es mit Regionalität bei Bio-Kartoffeln?

Tietke: Mit der Regionalität ist das so eine Sache. Auf den ersten Blick und aus ökologischer Sicht ist die beste Kartoffel die, die direkt vom Hof verkauft wird ohne lange Lieferwege. Bei einem zweiten Blick auf die geografischen Unterschiede in Deutschland wir sehr schnell klar, dass es Flächenländer, wie Niedersachsen, Brandenburg oder Sachsen-Anhalt gibt und bevölkerungsstarke Bundesländer, wie Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen. Die einen haben, wie gesagt, die großen Flächen, wo Ackerbau betrieben wird, die anderen haben die Menschen, die ernährt werden wollen. Schon vor über 100 Jahren versorgte Niedersachen Berlin und das Ruhrgebiet mit Lebensmitteln, speziell auch mit Kartoffeln.  Würde die Regionalität zum Beispiel durch die Grenzen eines Bundeslandes definiert, dann würden die Kartoffeln von der Anbaufläche in Baden-Württemberg vielleicht bis Oktober reichen, die restlichen neun bis zehn Monate müssten ohnehin aus anderen Regionen Kartoffeln zugekauft werden. Oder es gibt dann nur Nudeln und Reis - das ist für mich keine Option. Vor diesem Hintergrund definieren wir vom BKE ganz klar Deutschland als Region.

Oekolandbau.de: Wie sehen Sie die Entwicklung in den nächsten Jahren beim Bio-Kartoffelanbau in Deutschland? Gibt es neue Trends?

Tietke: Eine gute Kartoffel ist eine Kartoffel mit vielen Inhaltstoffen. Natürlich gibt es immer wieder Versuche, das Rad neu zu erfinden, Low Carb ist so ein Stern am Himmel. Kein Problem - wer eine Bio-Kartoffel mit extra wenig Stärke mag! Hauptsache die Menschen kaufen und essen heimische Bio-Kartoffeln! Für mich ist die Kartoffel an sich schon „Super food“, mit mehr Vitamin C als die Orange, nur 78 Kalorien pro 100 Gramm und einem hochwertigen Eiweiß bietet sie die beste Grundlage jeder Ernährung.

Der Land schafft Leben e.V. hat auf seiner Webseite einen Überblick zu den Nährwerten der Kartoffel veröffentlicht.

Regionalvermarktung von Bio-Kartoffeln

Um die Bio-Erzeugung der Kartoffeln aus der Anonymität herauszuholen, nutzt Alexander Fuchs aus Schrobenhausen die TAGWERK Marke, ein Label der Verbraucher- und Erzeugergenossenschaft TAGWERK. Die Bio-Kartoffeln bleiben alle in der Region und werden in einem Umkreis von maximal 100 Kilometern vermarktet.

Oekolandbau.de: Herr Fuchs, wo können die Bio-Kundinnen und -Kunden ihre Kartoffeln kaufen? Wie ist auf der Verpackung die regionale und individuelle Herkunft kenntlich gemacht?

Alexander Fuchs: Unser Betrieb ist mit über 30 Gemüsekulturen und mehr als 20 Kartoffelsorten vielfältig aufgestellt und daher ist für uns die Vermarktung über regionale Abokisten und den regionalen Naturkosthandel die beste Option. Die Idee der Tagwerkgenossenschaft, Verbraucherinnen und Verbraucher mit Erzeugerinnen und Erzeugern zu vernetzen und gemeinsam an einer nachhaltigen Ernährung zu arbeiten, ist wichtiger denn je.

Da wir zwischen den Städten Augsburg, Ingolstadt und München liegen, geht der Großteil unserer Ware in regionale Bio-Läden und Bio-Lieferdienste. Die Kartoffeln werden entweder mit unserem Hofetikett oder im Falle der zwei Kilogramm Papiertüte mit einem großen Tagwerketikett gekennzeichnet. Über die Kundenbriefe der Abokisten sowie über das Etikett stellen wir den Hof vor und geben Rezepttipps.

Oekolandbau.de: Wo sehen sie Potenzial in der Regionalvermarktung von Bio-Kartoffeln?

Alexander Fuchs: Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ist Regionalität bei Bio-Produkten ein Muss und daher ein wichtiges Entscheidungskriterium. Für uns bietet es die Möglichkeit, eine Bindung zum Habdel, aber auch zu den Konsumentinnen und Konsumenten aufzubauen, und nicht einer von vielen Rohstofflieferanten zu sein. Bio wird greifbarer und glaubwürdiger, wenn die Erzeugungsbetriebe in der Region sind. Zusammen mit unseren Partnern versuchen wir, diese Bindung zum Beispiel durch Hofführungen, Kartoffeltestessen mit Mitarbeitenden und Kundinnen und Kunden oder über Artikel in den Kundenzeitschriften zu intensivieren. Ausgefallene Sorten oder Sortierungen, die im LEH in der Regel keinen Platz haben, werden von unserer Kundschaft dankbar aufgenommen. Auf diese Weise lassen sich sowohl alte Sorten aber auch Kartoffelexoten vermarkten.

Lange Vermarktungszeit

Immer weniger Bio-Kartoffeln für den deutschen Markt kommen aus dem Ausland. War es noch vor einigen Jahren üblich, ab dem Frühjahr große Mengen an Bio-Kartoffeln aus Ägypten und Israel nach Deutschland zu importieren, so hat sich der deutsche Markt zunehmend vom Ausland gelöst. Zwar steigen die Einkaufsmengen, aber der deutsche Anbau für den LEH wurde in den vergangenen Jahren deutlich intensiviert. In der Kartoffelkampagne 2019/20 wurde ein Fünftel des Bio-Kartoffelmarktes noch mit Importen gedeckt. Der Importanteil lag 2015/16 noch bei einem Drittel des Gesamtmarkts.

Zuletzt gingen die Empfehlungen von großen Abpackunternehmen in Deutschland hin zur Einlagerung und zum Anbau von späten Sorten. Um die Bio-Speisekartoffeln aus deutschem Anbau möglichst lange vermarktet zu können, ist eine moderne Lagerhaltung notwendig. Hierzu rät zum Beispiel auch Reinhard Meyer vom Ökokontor in Büchen. "Nur wenn lagerfähige Partien auch Lagerraum finden, könnten Vermarkter Angebotsdruck vermeiden.", argumentiert er. Auch seien die Qualität aus dem Lager entscheidend für den Abverkauf. Auch Monika Tietke rät dringend dazu, Lagerraum für die Bio-Kartoffeln zu schaffen. Sie empfiehlt Erzeugerinnen und Erzeugern, die nicht selbst investieren wollen, sich unter Kolleginnen und Kollegen oder beim Landhandel Kooperationspartner für die Lagerung zu suchen.

Quelle: www.oekolandbau.de / BLE

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