08.03.2021
Pflanzenschutz Praxis | Herbizidresistenzen
DLG MITTEILUNGEN
Themen
Ackerbau Bodenbearbeitung Digitalisierung, Arbeitswirtschaft und Prozesstechnik Getreide Herbizid Pflanzenschutz
Das Bewusstsein allein verändert nichts
Jeder Landwirt kennt das Thema Herbizidresistenz. Aber mit konsequenten Gegenmaßnahmen hapert es gelegentlich. Lena Ulber und Han Zhang stellen die Ergebnisse einer Umfrage vor und diskutieren die Möglichkeiten und Begrenzungen.
Herbizidresistenz in Deutschland ist allgegenwärtig. Neben den bekannten Resistenzen bei Ackerfuchsschwanz und Windhalm werden zunehmend Wirkungsschwächen bei weiteren Gräsern wie Weidelgras und Trespe-Arten offensichtlich. Auch bei den dikotylen Arten treten z. B. mit dem Hundskerbel neue Arten mit nachgewiesener Resistenz auf. Während in vielen Regionen die Bekämpfungsleistung der Herbizide noch ausreicht, zeigen sich anderswo bereits Grenzen. Wie gehen Landwirte mit Resistenzen um? Aussagen dazu bringt eine Umfrage, an der im vergangenen Jahr insgesamt 808 Landwirte und 244 Berater teilgenommen haben. Überproportional viele Antworten kamen aus Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg.
Die große Mehrheit der Landwirte zeigt sich besorgt über das (potentielle) Auftreten von herbizidresistenten Unkräutern und diskutiert häufig darüber. 42 % der Landwirte berichten von resistenten Unkräutern auf dem eigenen Betrieb. Bei 39 % hat mindestens die Hälfte der Flächen ein Resistenzproblem. 86 % der Berater geben an, Fälle von Herbizidresistenz in ihrer Region beobachtet zu haben. Meist seien aber jeweils nur wenige Betriebe betroffen. Die Mehrzahl nennt den Ackerfuchsschwanz als wichtigstes resistentes Ungras, gefolgt vom Windhalm. Weidelgras, Trespe, Hirse, Weißer Gänsefuß, Kamille und Vogelmiere wurden ebenfalls genannt, scheinen jedoch nur begrenzt aufzutreten. Als potentiell resistente Arten wurden Hundskerbel und Kornblume genannt, die zunehmend schwerer bekämpft werden können.
Resistenztests sind noch eher selten. Einen Verdacht lassen sich nur 35 % der Landwirte durch einen Resistenztest einer Beratungsorganisation oder Firma bestätigen. Die Mehrzahl nutzt als »Diagnose« die persönliche Einschätzung. Leider werden aber Herbizidresistenzen oft erst erkannt, wenn sich resistente Populationen bereits etabliert haben. Schon bei einem ersten Verdacht mit ungewöhnlich vielen überlebenden Unkräutern können ein Biotest (mit Samen der überlebenden Pflanzen) oder molekulare Methoden (anhand von Blattproben) eine eindeutige Aussage liefern, ob tatsächlich eine Resistenz vorliegt und welche Wirkstoffe betroffen sind. Nur so können zukünftige Strategien an die tatsächliche Resistenzsituation auf der Fläche angepasst werden. Eine regelmäßige Kontrolle der Bestände kann helfen, einzelne Stellen oder Teilflächen mit überlebenden Pflanzen zu identifizieren. Nützlich sind hierbei der Einsatz von Drohnen oder bei eigener Begehung der Flächen die Verwendung mobiler Apps, welche die Beobachtungen georeferenziert speichern und ggf. direkt in eine elektronische Ackerschlagkartei übertragen.
Gegen Ackerfuchsschwanz hilft unter anderem eine nicht zu frühe Saat. (Foto: landpixel)
Mechanische Unkrautbekämpfung im Kommen. Der Mehrzahl der Landwirte ist bewusst, dass zur Resistenzvermeidung neben dem Wirkstoffwechsel bei Herbiziden auch ackerbauliche Maßnahmen nötig sind. So gehen 85 % der Landwirte und 91 % der Berater von einem häufigeren Einsatz nicht-chemischer Maßnahmen zur Reduzierung des Resistenzrisikos in den nächsten zehn Jahren aus. Viele begründen dies zusätzlich mit dem Wegfall noch zugelassener Wirkstoffe.
Aus Sicht der Landwirte ist dieser Trend mit deutlichen Herausforderungen verbunden. Als Folge einer verstärkten Bodenbearbeitung rechnen sie mit zunehmenden Erosionsproblemen in Hanglagen, steigendem Humusverlust, Gefahr der Nitratauswaschung ins Grundwasser sowie einem erhöhten Treibstoffbedarf und CO2-Ausstoß. Dennoch setzten ca. 60 % der Landwirte die mechanische Unkrautkontrolle zumindest auf einigen ihrer Flächen ein. Für problematisch halten sie allerdings die höheren Kosten, eine starke Witterungsabhängigkeit und negative Auswirkungen auf das Bodenleben, Bodenbrüter und Niederwild. Auch der hohe Anschaffungspreis wird kritisch gesehen. Eine überbetriebliche Nutzung solcher Geräte ist oft schwierig, da der Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme gut getroffen werden muss, um Schäden an Boden und Pflanzen zu vermeiden. Negativ bewerten einige Landwirte auch, dass Geräte z. B. zur mechanischen Unkrautbekämpfung oft nicht auf dem eigenen Betrieb getestet werden können.
Pflanzenbauliche Maßnahmen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Mehrzahl der Landwirte verschiebt bereits den Aussaattermin von Winterweizen, aber nur knapp 20 % tun dies auf der gesamten Fläche. Versuche haben gezeigt, dass dies den Auflauf von Acker-Fuchsschwanz und Weidelgras um bis zu 60 % reduzieren kann. Diese Ungräser laufen bevorzugt im September bis Mitte Oktober auf. Bei einer späteren Aussaat kann Ackerfuchsschwanz daher vor der Saat mit einem falschen Saatbett in Kombination mit Glyphosat oder mit einer weiteren flachen Saatbettbereitung bekämpft werden. Ungefähr die Hälfte der teilnehmenden Landwirte setzt Glyphosat vor der Saat ein, dies gilt sowohl für Winterungen als auch Sommerungen. Während in England beim falschen Saatbett vor Wintergetreide bis zu dreimal hintereinander Glyphosat eingesetzt wird, ist dies in Deutschland bisher meist auf eine Applikation beschränkt. Fest steht aber, dass Spätsaaten für einige Landwirte mit deutlichen Herausforderungen verbunden sind: Auf schwerem Boden mit Staunässe ist die Befahrbarkeit zum Drillzeitpunkt der limitierende Faktor.
Nur eine »letzte Karte« ist das Zerkleinern der Unkrautsamen im Mähdrescher, da diese (anders als bei Windhalm oder Weidelgras) oft vor dem Drusch ausfallen. (Foto: Werkbild)
Auch eine erweiterte Fruchtfolge und die Sorte können das Resistenzrisiko mindern. Laut Umfrage integrieren 30 % der Landwirte auf ihrer gesamten Betriebsfläche Sommerungen in die Fruchtfolge. Deren Vorteil ist die längere Zeit, die man zur Bekämpfung der vor der Aussaat auflaufenden Unkräuter hat. Entscheidend bei der Auswahl ist aber eine schnelle Bodenbedeckung. Ergebnisse aus England zeigen, dass mit Sommerhafer gegenüber Sommergerste eine höhere Unterdrückung von Ackerfuchsschwanz erreicht werden kann. Kritisch sehen die Landwirte die reduzierte Wirtschaftlichkeit, fehlende Ertragssicherheit und mangelnde Absatzmöglichkeiten vieler Sommerungen. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit sollten aber auf Problemstandorten die langfristigen Kosten der Ackerfuchsschwanz-Bekämpfung in Wintergetreide und die bei Resistenz auftretenden Ertragsverluste eingerechnet werden. Gerade bei sogenannten multiplen Herbizidresistenzen, bei denen mehrere Wirkstoffgruppen nicht mehr wirken, sind schnell hohe Bekämpfungskosten möglich. Auch die Wahl einer konkurrenzstarken Wintergetreidesorte oder höhere Aussaatdichten können zur Unkrautunterdrückung beitragen. Sorten mit einer guten Bestockung, breiten Blättern und einer guten Bodenabdeckung können den Besatz mit Ackerfuchsschwanz deutlich senken (siehe dazu auch den Beitrag auf Seite 50). Dies nutzen derzeit aber nur wenige Landwirte.
Das weite Feld der Digitalisierung. Potential sehen Landwirte in neue Technologien wie optischen Sensoren und der Bild-erkennung von Unkrautarten. Digital unterstützte Einzeldüsensteuerung und kameragesteuerte mechanische Unkrauthacken sind auf dem Sprung in die Praxis. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), Machine Learning und Robotik eröffnet neue Möglichkeiten bei der Unkrautbekämpfung. Auch Roboter, die das Unkraut mithilfe von Kameras und einer eigenen KI-Software erkennen, lokalisieren und z. T. auch bekämpfen können, gibt es bereits. So identifiziert der autonome Unkrautroboter »Bonirob« (Bosch) die Unkräuter und bekämpft sie mechanisch. Das US-Unternehmen Blue River Technology, 2017 von John Deere übernommen, hat einen Roboter namens »See and Spray« entwickelt, der über zwei Kameras und eine Bilddatenbank Unkraut identifiziert und zielgerichtet behandelt. Das Schweizer Unternehmen EcoRobotix hat einen ähnlichen Ansatz: Ausgestattet mit einer Kamera und GPS-Sensoren appliziert ein solarbetriebener Roboter flächenspezifisch Herbizide. Der ebenfalls solarbetriebene Hackroboter »Farmdroid« der Solar-Energie Andresen GmbH merkt sich bei der Aussaat die genaue Position jedes einzelnen Korns und entfernt dann in darauffolgenden Arbeitsgängen exakt alle anderen um die Kulturpflanze vorhandenen Pflanzen bzw. Unkräuter. Auch Systeme, die auf einer Bekämpfung der Unkräuter mit Strom oder Laser beruhen, sind in der Entwicklung. Praxisreife und bezahlbare Lösungen hätten großes Potenzial. Noch ist aber keines dieser Systeme großflächig im Einsatz.
Eine Lösung aus Australien. Neu auf dem europäischen Markt sind Geräte zur mechanischen Zerstörung der Unkrautsamen beim Drusch. Bei dieser in Australien unter dem Begriff »Harvest Weed Seed Control« bekannten Technik steht die Reduzierung des Samenpotentials im Boden im Fokus. Bei den in Deutschland vertriebenen Systemen handelt es sich um integrierte Mühlen am Heck des Mähdreschers. Diese zerstören die Unkrautsamen im Siebmaterial. Bei Weidelgras in Australien können mit dieser Technik Wirkungsgrade von 98 % erreicht werden. Bei den bei uns relevanten Ungräsern wie Ackerfuchsschwanz und Windhalm fällt allerdings abhängig von der Witterung meist ein großer Teil der Samen vor dem Mähdrusch aus.
Aktuelle Studien aus Dänemark schätzen beim Ackerfuchsschwanz den Samenverbleib bei der Ernte auf 23 bis 50 %, sodass nur ein Teil der Samen überhaupt durch den Drescher gelangt und zerstört werden kann. Anders beim Weidelgras, bei dem die Samen deutlich länger am Halm bleiben. Aber selbst ein Verfahren, bei dem über mehrere Jahre hinweg nur ein Teil der Unkrautsamen jährlich vom Feld gefahren wird, kann insbesondere auf Standorten mit ausgeprägten Resistenzen oder bei fehlenden Herbizidalternativen zur langfristigen Reduzierung des Unkrautdrucks beitragen.
Fazit. Zur Reduzierung der Resistenzproblematik werden in Zukunft weniger effektive Wirkstoffe zur Verfügung stehen. Ziel der Bekämpfung sollte ein hoher Wirkungsgrad sein, um einen Aufbau des Samenvorrates im Boden zu vermeiden. Dieses wird langfristig nur eine Kombination von chemischen und nicht chemischen Maßnahmen sicherstellt können. Hierzu gehören eine Diversifizierung der Fruchtfolge, angepasste Aussaattermine und eine mechanische oder chemische Kontrolle der Unkräuter zwischen den Kulturen. Die meisten nicht chemischen Maßnahmen zeigen allerdings weniger stabile »Wirkungsgrade« als effektive Herbizide. Zudem sind sie deutlich stärker von der Witterung und den Standortbedingungen abhängig. Dies bedeutet eine flächenspezifische, jährliche Anpassung der Maßnahmen an die jeweils vorherrschenden Bedingungen. Ist eine späte Aussaat nicht möglich, muss ggf. auf eine Sommerung ausgewichen werden. Ein angepasster Einsatz dieser »Werkzeuge« erfordert daher den Landwirten viel Flexibilität ab.
Dr. Lena Ulber, Julius Kühn-Institut, Braunschweig, Dr. Han Zhang, Universität Rostock