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23.12.2021

PANORAMA | Klimaschutz

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DLG MITTEILUNGEN

Themen

Agrar- und Steuerrecht

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Nur die langfristige CO2-Bindung zählt

Ein Hektar Weizen bindet pro Jahr 9 t, ein Hektar Mais sogar 14 t CO2! Dennoch gelten diese Mengen in den Klimabilanzen nur als »durchlaufende Posten«. Bernhard Osterburg und Axel Don zeigen, warum: Ein großer Teil wird wieder freigesetzt.

Die Jahrhundertdürre 2018, die Debatte über die »Enkeltauglichkeit« unseres Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells, neue, für die Landwirtschaft verbindliche Klimaschutzziele: Die Landwirtschaft steht im Zeichen des Klimawandels vor großen Herausforderungen und Veränderungen. Kein Zweifel, sie ist vom Klimawandel betroffen. Aber wie ist die Rolle der Landwirtschaft als Verursacher von Treibhausgasemissionen und ihre Beiträge zum Klimaschutz zu bewerten? Dazu gibt es eine breite Vielfalt von Analysen und Ansichten. Doch gibt es auch ein gemeinsames Verständnis darüber, was als klimaschutzrelevante Kohlenstofffestlegung und was als klimaschädliche Emission zu betrachten ist? Das ist die Voraussetzung für die Akzeptanz der Klimapolitik und die Entwicklung von Lösungen für den Klimaschutz.

CO2-Emissionen und der biologische Kohlenstoffkreislauf. Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre steigt ungebremst. Die Hauptursachen sind das Verbrennen fossiler Energieträger wie Kohle und Erdöl sowie großflächige Landnutzungsänderungen wie Entwaldung oder die Entwässerung von Moorböden. CO2 und andere Treibhausgase wie Methan und Lachgas, deren Konzentrationen in der Atmosphäre ebenfalls steigen, absorbieren Wärmestrahlung, die sonst zurück ins Weltall entweichen würde, und tragen dadurch zur Erderwärmung bei.

Die sogenannte Keeling-Kurve (siehe Grafik), die auf einer vom Wissenschaftler Charles David Keeling im Jahr 1958 auf Hawaii gestarteten Messreihe basiert, zeigt die Zunahme der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre. Was die Linie der Durchschnittswerte nicht zeigt: Neben dem langfristigen Anstieg finden auch jährliche Schwankungen statt (kleiner Kasten in der Grafik). Dieses Auf und Ab ist auf den biologischen Kohlenstoffkreislauf zurückzuführen. Sichtbar ist der Saldo zwischen der Kohlenstoffbindung durch die Fotosynthese der Pflanzen und der Freisetzung aus pflanzlichen Stoffen, weil sie entweder von Bakterien, Pilzen, Tieren und Menschen veratmet oder verbrannt werden. Kohlenstoffbindung und Freisetzung finden im biologischen Kohlenstoffkreislauf zum Teil jahreszeitlich versetzt statt und gleichen sich nach Ablauf eines Jahres weitgehend aus.

Kohlenstoffbindung in Nahrungsmitteln: Festlegung und Freisetzung Hand in Hand. In Deutschland bindet die Landwirtschaft jährlich kurzzeitig über 400 Mio. t CO2. Davon bleibt etwa die Hälfte als Erntereste und Wurzelrückstände auf den Flächen, die andere Hälfte verteilt sich auf Nahrungs- und Futtermittel sowie nachwachsende Rohstoffe. Mit dem Kerngeschäft der Landwirtschaft, der Produktion von Nahrungsmitteln, sind der Konsum und damit die baldige Wiederfreisetzung des gebundenen Kohlenstoffs untrennbar verbunden. Die andere Hälfte des Kohlenstoffs, den die Landwirtschaft bindet, wird in dieser selbst wieder freigesetzt – und zwar durch den Abbau von Wurzeln und Ernteresten und die Fütterung der Tiere.

Sollten wir die Luft anhalten? Wenn die Landwirtschaft durch Kohlenstoffbindung in Nahrungsmitteln zum Klimaretter postuliert wird, sind wir als Konsumenten von Nahrungsmitteln dann CO2-Sünder, weil wir CO2 ausatmen? Die internationale Klimapolitik und der Weltklimarat (IPCC) betrachten die jährlichen Schwankungen des biologischen Kohlenstoffkreislaufs durch C-Bindung und Freisetzung nicht als klimarelevante Kohlenstofffestlegung bzw. CO2-Emission. Denn die Anrechnung dieser kurzfristigen Speicherung als Klimaschutzmaßnahme wäre ebenso absurd, wie wenn sich die Mineralwasserindustrie das in Getränken gebundene CO2 in Form von Kohlensäure als Klimaschutzmaßnahme anrechnen würde. Klimasünder wären dann die Verbraucher, die Mineralwasserflaschen öffnen.

Die Versuchung ist groß, »alternative Fakten« zu schaffen: Zwar wird CO2 kurzzeitig gebunden, aber über Lebens- und Futtermittel sowie den Abbau von Ernteresten auch wieder freigesetzt.

Die Kohlenstoffmengen, die jährlich biologisch gebunden und wieder veratmet werden, werden also als »durchlaufende Posten« nicht in den Treibhausgasinventaren berücksichtigt, denn das jährliche Auf und Ab des biologischen Kohlenstoffkreislaufs stellt weder eine Bedrohung noch eine Rettung für das Klima dar. So bleibt der Welt viel Bürokratie für das genaue Nachrechnen dieses Nullsummenspiels erspart. Treibhausgasinventare bilden die nationalen, durch den Menschen verursachten Emissionen ab. Sie werden nach international vereinbarten methodischen Vorgaben erstellt.

Bodenhumus zählt. Eine langfristige Kohlenstoffbindung im Humus landwirtschaftlicher Böden geht dagegen in die Treibhausgasinventare ein. Ebenso wird der Verlust von Jahrhunderte altem Torf-Kohlenstoff als Folge der Entwässerung von Moorböden angerechnet. Ein Aufbau von Bodenhumus wird als Festlegung von CO2-Kohlenstoff und ein Abbau von Bodenhumus als CO2-Emission gewertet. Es geht also um langfristige Veränderungen der Kohlenstoffspeicherung in landwirtschaftlichen Böden. In Deutschland sind in diesen Böden bis in einem Meter Tiefe rund 2,5 Mrd. t Kohlenstoff gespeichert. Das hat die Bodenzustandserhebung Landwirtschaft des Thünen-Instituts ergeben. Der Humus in landwirtschaftlich genutzten Böden bevorratet damit mehr als doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Bäume in den Wäldern Deutschlands zusammen. Der Erhalt oder, wo dies möglich und sinnvoll ist, der Aufbau von Humus hat daher eine große klimapolitische Bedeutung.

Der Blick aufs Ganze zählt: Biogas geht nicht direkt in die Klimabilanz der Landwirtschaft ein, sondern wird der Stromerzeugung zugerechnet.

Wie nachwachsende Rohstoffe in die Bilanz eingehen. Ebenso wie das CO2 aus dem Konsum von Nahrungsmitteln wird auch das bei der energetischen Nutzung landwirtschaftlicher Rohstoffe (z. B. aus Biogas oder Biokraftstoffen) freigesetzte CO2 in den Treibhausgasinventaren als klimaneutral bewertet. Dennoch geht die Nutzung von Bioenergie in die Treibhausgasbilanz ein: Wenn fossile Energieträger durch Bioenergie ersetzt werden, dann sinken die in der Treibhausgasbilanz abgebildeten Emissionen. Der Emissionsrückgang wird in den Sektoren sichtbar, in denen der Einsatz von Bioenergie zur Reduzierung fossiler Energieträger führt, also vor allem im Bereich Stromerzeugung, Wärme und Verkehr. Dass die Landwirtschaft durch die Kohlenstoffbindung in Energiepflanzen zu diesem Klimaschutzeffekt beigetragen hat, ist aus dem Treibhausgasinventar nicht direkt abzulesen. Diese Effekte werden im Rahmen der Statistiken über erneuerbare Energien abgeschätzt. Im Jahr 2018 wurden durch Bioenergie aus landwirtschaftlichen Rohstoffen nach Angaben des Umweltbundesamtes mehr als 20 Mio. t CO2-Emissionen vermieden.

Durch die stoffliche Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen entstehen Produktspeicher, die relevant für die Kohlenstoffspeicherung sind. Dies ist vor allem bei Holz der Fall, aus dem oft sehr langlebige Produkte entstehen, z. B. im Holzbau. In den Treibhausgasinventaren wird dafür die Kategorie des Holzproduktespeichers geführt. Eine Erhöhung des Speichers wird als CO2-Festlegung verbucht, eine Reduzierung als Emission. Die stoffliche Nutzung landwirtschaftlicher Rohstoffe hat im Vergleich zu Holz bisher eine geringe Bedeutung, verbunden mit einer meist geringeren Nutzungsdauer. Sie wird in den Treibhausgasinventaren nicht gesondert abgebildet. Wenn sich ihre Bedeutung künftig erhöht, muss das in der Klimapolitik berücksichtigt werden.

Fazit. Manchmal gibt es Missverständnisse. So ist eine Kohlenstoffspeicherung in Ernteprodukten wie Weizen kein angewandter Klimaschutz, denn bei der Verwendung des Weizens als Nahrungs- oder Futtermittel wird der gebundene Kohlenstoff wieder freigesetzt. Diese kurzfristigen Flussgrößen des biologischen Kohlenstoffkreislaufs heben sich binnen eines Jahres auf und sind deshalb klimaneutral. Für den Klimaschutz relevant sind dagegen die Veränderungen der langfristigen Kohlenstoffspeicher im Humus und Emissionsminderungen z. B. durch den Ersatz fossiler Energieträger durch Bioenergie. Die Landwirte und ihre Verbände sind gut beraten, nicht mit der kurzfristigen Kohlenstoffbindung in den Kulturpflanzen als vermeintlicher Klimaschutzleistung zu werben.

Bernhard Osterburg und PD Dr. Axel Don, Thünen-Institut Braunschweig

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