29.10.2020
Cisgene Pflanzen: Gentechnik innerhalb der Artgrenzen
TRANSGEN - FORUM BIO - UND GENTECHNOLOGIE E.V.
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Cisgene Pflanzen sind gentechnisch verändert, ihr Genom enthält aber nur arteigenes Erbmaterial. Pilzresistente Kartoffeln sowie schorf- und feuerbrandresistente Äpfel sind die beiden prominentesten Beispiele. Das Konzept funktioniert und es könnte deutlich weniger gespritzt werden. Doch kommerziell erhältlich sind solche Produkte noch nicht. Und es ist fraglich, ob sich das bald ändert. Denn obwohl die Artgrenzen gewahrt bleiben, haftet cisgenen Pflanzen der Makel der Gentechnik an - und dafür gibt es wenig Akzeptanz.
Das zuständige Expertengremium der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat sich 2012 auch mit cisgenen Pflanzen beschäftigt.
Die Kernpunkte des EFSA-Gutachtens:
(1) Bei cisgenen Pflanzen werden Verfahren eingesetzt, die denen zur Erzeugung transgener Pflanzen entsprechen. Sie fallen damit unter die gleichen gesetzlichen Bestimmungen. (2) Im Hinblick auf mögliche unbeabsichtigte Effekte oder Risiken unterscheiden sich cisgene Pflanzen nicht von konventionell gezüchteten Pflanzen. (3) Je nach Einzelfall sollte geprüft werden, ob die Anforderungen für die Sicherheitsbewertung reduziert werden können.
In verschiedenen Forschungsprojekten wird an Pflanzen gearbeitet, denen mit gentechnischen Methoden ausschließlich Gene aus dem Genpool der eigenen Art oder kreuzbarer naher Verwandter übertragen werden. Die entstehenden Pflanzen werden als cisgen bezeichnet (cis=diesseits (der Artgrenze)) im Gegensatz zu transgenen Pflanzen (trans=jenseits), denen Gene von anderen Arten übertragen wurden.
So haben Wissenschaftler der Universität Wageningen Kartoffeln entwickelt, die gegen die Kraut- und Knollenfäule resistent sind. Der Erreger dieser Krankheit, der Algenpilz Phythophthora infestans, verursacht jedes Jahr große Schäden im Kartoffelanbau. Aus südamerikanischen Wildkartoffeln wurden verschiedene Resistenzgene isoliert und mit gentechnischen Methoden in Kultursorten übertragen. Bei Freilandversuchen in mehreren Ländern hat sich gezeigt, dass dieses Resistenzkonzepts tatsächlich wirksam ist und von den Krankheitserregern nicht überwunden werden konnte.
Auch bei Äpfeln hat ein gemeinsames Forschungsprojekt aus ETH Zürich, Julius Kühn-Instituts in Dresden-Pillnitz und Universität Wageningen cisgene Linien entwickelt, die resistent sind gegen Apfelschorf. Diese Pilzkrankheit ist eines der größten Probleme im Obstanbau. Die Resistenzgene stammen aus dem Wildapfel Malus floribunda. An der Universität Wageningen und in der Schweiz werden inzwischen Freilandversuche mit den cisgenen Apfelbäumen durchgeführt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt man auch gegen Feuerbrand, die wirtschaftlich bedeutendste Apfelkrankheit.
Die Beschränkung auf den arteigene Genpool bezieht sich nicht nur auf das Zielgen, sondern auch auf regulatorische Sequenzen wie Promotoren, die benötigt werden, damit das Zielgen abgelesen und beispielsweise ein Protein gebildet werden kann. Auch die regulatorischen Sequenzen dürfen nicht aus artfremden Organismen stammen, ebenso Markergene. Im Fall der Phythophthora-resistenten Kartoffel diente statt dessen die Resistenz selbst als Marker für die erfolgreiche Genübertragung. Im Fall der schorfresistenten Apfelbäume wurde ein Markergen genutzt, aber nachträglich wieder entfernt.
Die Erbinformation, die cisgenen Pflanzen übertragen wird, könnte auch auf konventionellem Weg eingekreuzt werden. Doch bei einer herkömmlichen Kreuzung werden auch unerwünschte Erbinformationen übertragen, die etwa für die die Geschmacks- und Anbaueigenschaften einer Sorte von Nachteil sind und die durch zeitaufwändige Rückkreuzungsschritte wieder entfernt werden müssen. Gerade bei Apfelbäumen mit ihren langen Fortpflanzungszyklen ist es auf klassischem Wege kaum möglich, Resistenz-Gene in eingeführte Apfelsorten hineinzuzüchten.
Mit der Cis-Gentechnologie will man Pflanzen erzeugen, die auch aus einer Kreuzung entstanden sein könnten, und gleichzeitig die Vorteile der Gentechnik nutzen: Nur das gewünschte Gen wird übertragen, alle anderen Eigenschaften der Sorte bleiben erhalten.
Nur arteigene Gene wie bei der Kreuzung , aber dennoch Gentechnik
Nach derzeit in der EU geltenden Rechtsvorschriften müssen cisgene Pflanzen als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zugelassen werden. Einige Wissenschaftler fordern, sie stattdessen nach australischem Vorbild wie Pflanzen zu behandeln, die durch Kreuzung entstanden sind, da sie nur arteigene Gene enthalten. Damit würde sich Zulassung und Kennzeichnung erübrigen.
Für Gentechnik-Kritiker ist dagegen entscheidend, dass mit gentechnischen Methoden gearbeitet wird. Damit blieben ihrer Ansicht nach auch Risiken bestehen wie etwa die Möglichkeit, dass das übertragene Genkonstrukt an einer zufälligen Stelle ins Genom integriert wird und dadurch unvorhergesehene Effekte auftreten könnten.
Werden cisgene Pflanzen wie die Phytophthora-resistenten Kartoffeln oder die schorf- und fereuerbrandresistenten Apfelbäume weiterhin als GVO eingestuft, hätten sie in Deutschland und weiten Teilen Europas wohl keine Chancen, auf den Markt zu kommen. Jeder Freisetzungsversuch, jeder Anbau müsste nach den gentechnik-rechtlichen Bestimmungen genehmigt werden. Als Pflanzen wie als Lebensmittel müssten sie EU-weite Zulassungsverfahren durchlaufen. Das kostet viel Zeit und Geld, das allenfalls internationale Konzerne aufbringen könnten. Vor allem aber: Äpfel und Kartoffeln müssten als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden - für die meisten Konsumenten wohl ein Grund, die Finger davon zu lassen.