29.07.2021
Bunte Biomasse
HUMINTECH
Themen
Artenvielfalt Biogas Bodenbearbeitung Entwicklung ländlicher Raum Erneuerbares-Energien-Gesetz Europa Nachhaltige Landwirtschaft Nachwachsende Rohstoffe Naturschutz Ökolandbau
Mit Biogasanlagen zu mehr Artenschutz auf dem Acker
Biogasanlagen erzeugen sauberen Strom. Sie arbeiten CO2-neutral, schonen folglich das Klima und sorgen dafür, dass Abfälle aus landwirtschaftlichen Betrieben im Stoffkreislauf der Höfe verbleiben. Klingt gut. Nur: Warum schlagen dann Klima-, Umwelt- und Artenschützer Alarm und fordern eine Ablösung der Biogasanlagen? Und gibt es eigentlich Alternativen zu Maismonokulturen, mit denen man die Anlagen sinnvoller betreiben kann?
Biogasanlagen sind lange keine Resteverwerter mehr
Der ursprüngliche Plan ist längst überholt: Eigentlich sollten in Biogasanlagen Reststoffe wie Gülle und Stroh, Landschaftspflegematerial und unverwertbares Futter vergärt werden, um die Energie des Materials im Stoffkreislauf des Hofes zu lassen. Tatsächlich stammen 89 Prozent des eingespeisten Biogasstroms in Deutschland aus pflanzlicher Rohbiomasse – doch mit 71 Prozent hat Maissilage den höchsten Anteil am Substrat.
Seit die Biogasanlagen über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) doppelt gefördert werden, ist es lukrativer, Energiemais in riesigen Monokulturen auf dem eigenen Acker anzupflanzen als Milchvieh zu halten. Die Biogasbranche boomt – mit entsprechenden Folgen für das Klima, den Boden und die Tiere.
Das Problem mit Maiskulturen für die Biogasverstromung
Maisäcker liegen die meiste Zeit nackt da und sind Wind- und Wassererosion schutzlos ausgeliefert. Fruchtbarer Obenboden geht verloren. Im Boden enthaltene Dünger- und Pflanzenschutzrückstände gelangen ungehindert in umliegende Gewässer. Zudem braucht der jährliche Entzug von Biomasse den Kohlenstoffgehalt des Bodens auf, bevor neuer gebunden werden kann – ein Folge der Ernte und der verstärkte Mineralisierung von Humus auf entsprechenden Anbauflächen.
Bereits nach fünf Jahren ohne nachhaltiger Humuswirtschaft ist der Gehalt an Nährhumus in mittleren Böden vollkommen erschöpft. Nützliche Insekten, Vögel oder Niederwild finden in solch einer Monokultur über Jahre hinweg weder Nahrung noch Unterschlupf. Der Maiszünsler und Schadpilze müssen daher verstärkt chemisch bekämpft werden.
In der Bundesrepublik wurden seit 2005 fast 900.000 Hektar Brachen und Grünland in Energiefelder verwandelt, was maßgeblich zum Humusverlust und dem enormen Artenschwund im Offenland beigetragen hat.
Biogas aus Maissilage kann nicht klimaneutral produziert werden
Auch das Klima leidet unter den Biogasanlagen. Methan und Lachgas entweichen teilweise unkontrolliert aus den Anlagen und sind um ein Vielfaches klimaschädlicher als Kohlendioxid. Bezieht man alle für die Produktion von Biogas relevanten Faktoren mit ein, entstehen 23,8 Tonnen CO2 je Hektar Maisplantage, während der Mais nur 19,7 Tonnen assimiliert. Dadurch, dass die Maisfelder nicht für den Anbau von Nahrungs- oder Futtermitteln genutzt werden können, müssen darüber hinaus ständig neue Flächen in bisher unberührten Gebieten erschlossen werden, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Das bedroht den Regenwald und heizt den Treibhauseffekt weiter an.
Biogasanlagen sollten rentabler und nachhaltiger werden
Neben den Problemen, die solche Anlagen für die Umwelt und die Biodiversität mit sich bringen, sind sie schlicht unrentabel. Allein die doppelte Förderung (über die Fläche und die des EEG) macht Biogasanlagen zumindest für den Betreiber lukrativ. In 10 bis 15 Jahren allerdings entfällt die Förderung für den Maisanbau, weil die Anlagen aus dem EEG herausfallen.
Es scheint zahlreiche Gründe dafür zu geben, den Betrieb von Biogasanlagen gründlich zu überdenken und wirklich nachhaltig zu gestalten. Haben Biogasanlagen vor diesem Hintergrund überhaupt eine Zukunft?
Mit Artenreichtum gegen Monokulturen
Die Antwort lautet ja: „Bunte Biomasse“ heißt eine Lösung, die LandwirtInnen seit April 2019 auf über 120 Hektar ehemaligem Maisacker erproben. Eine mehrjährige Wildblumenmischung aus 25 verschiedenen Arten soll Mais als Kultursubstrat für die Biogasanlagen zukünftig ersetzen.
Die Vorteile liegen auf der Hand: keine Pflanzenschutzmittel, weniger Dünger, weniger Arbeitsaufwand. Im Vergleich zum Mais beträgt die Arbeitskraftstunde auf einer Wildblumenwiese nur etwa ein Drittel, und auch der Treibstoffbedarf sinkt entsprechend.
„Je nach Standortgüte können Erträge von 9 bis 14 Tonnen Trockenmasse je Hektar bei einer Gasausbeute von etwa 65 Prozent gegenüber Mais erzielt werden“, so Agrarberater Johann Högemann.
Die grüne Bodenbedeckung, weniger Bodenbearbeitung und die stärkere Durchwurzelung wirken sich positiv auf die Humusbilanz aus und verhindert Erosionen. Nährstoffe wie Stickstoff werden gebunden und weniger ins Grund- und Oberflächenwasser ausgewaschen. Die Wiesen bieten ganzjährig Lebensraum für Insekten und Vögel und einiges Niederwild.
Im bayrischen Landkreis Rhön-Grabfeld haben Landwirte 2017 ein ähnliches Projekt auf knapp 60 Hektar Land gestartet. Mit einem besonders erstaunlichen Effekt: Schon im Sommer 2018 tummelten sich auf den ehemaligen Maisäckern 62 Bienenarten, von denen drei auf der Roten Liste gefährdeter Arten stehen – ein großer Erfolg für den Artenschutz.
Vom Maisanbau degradierte Böden können mit Huminsäuren regeneriert werden
Allerdings gab es in den letzten Jahren teils hohe Ernteausfälle – trotz intensiver Züchtungs- und Düngemaßnahmen. Besonders auf ohnehin für Trockenstress anfälligen Standorten, wo die Böden von jahrelangem Maisanbau ausgelaugt sind, halten sich Wasser oder Nährstoffe immer schlechter.
Um die Böden zu regenerieren, eine gesunde Bodenfauna wiederherzustellen und die Wasserhaltefähigkeit sowie die Nährstoffverfügbarkeit für den Ackerbau langfristig zu erhöhen, ist der Einsatz von Huminsäuren sinnvoll. Als Teil einer gut geplanten Humuswirtschaft und eines effizienten Pflanzenbaus verbessern Huminsäuren als Hauptbestandteil von Dauerhumus das Bodengefüge und begünstigen langfristig die Wasser- und Nährstoffhaltefähigkeit von landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Böden.
Biogasanlagen: Sinnvoll oder nicht? Auf das Wie kommt es an.
Alles in allem ist der Betrieb von Biogasanlagen nach wie vor sinnvoll. Vor allem, um als Teil eines Energiemixes Schwankungen von Wind- und Sonnenenergie auszugleichen. Der Einsatz von Wildblumen anstelle von Mais als Biomasse kann hierbei zukunftsweisend sein. Die „Bunte Biomasse“ etwa hat das Potenzial, die Artenvielfalt auf die Felder zurückzubringen, die Böden zu regenerieren und die Klimabilanz der Anlagen allgemein zu verbessern. Die Produktion von Biogas kann auf diese Weise eine echte Chance für die Verknüpfung von Landwirtschaft und Artenschutz sein.