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14.09.2020

Anbau von Süßkartoffeln: Für wen lohnt sich der Einstieg?

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Die Süßkartoffel hat sich in Deutschland zu einem Trendgemüse entwickelt. Bisher wird der Bedarf fast ausschließlich über relative preiswerte Importe gedeckt, vor allem aus den USA und Spanien. Doch mit wachsendem Verbraucherbewusstsein ist die Nachfrage nach regional erzeugter Ware gestiegen, auch von Seiten des Handels. Das macht die Kultur für heimische Betriebe interessant, insbesondere im Öko-Bereich.

"Schon vor zwei Jahren herrschte deshalb große Euphorie bei den Betrieben", berichtet Birgit Rascher, Gartenbauingenieurin bei der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Bamberg. Sie hat sich drei Jahre lang intensiv mit dem Potenzial der Kultur für den heimischen Anbau beschäftigt. "Aber viele Erzeugerinnen und Erzeuger sind dann schnell wieder abgesprungen, weil der Anbau einige Herausforderungen bereithält." Zurzeit schätzt Rascher die Anbauflächen der Nischenkultur in Bayern auf etwa 60 bis 80 Hektar.

Wirtschaftliche Erträge sind möglich

Dabei lassen sich mit der wärmeliebenden Süßkartoffel grundsätzlich auch in Deutschland wirtschaftliche Erträge erzielen. In den Versuchen der LWG erntete Rascher zwischen 30 und 50 Tonnen pro Hektar. Von dieser Menge kann nach Aussortierung von Über- und Untergrößen sowie beschädigten oder angefressenen Knollen etwa die Hälfte vermarktet werden.

Für den ökologischen Anbau ist die Süßkartoffel durch ihren geringen Bedarf an Stickstoff attraktiv, der bei etwa 60 Kilogramm pro Hektar liegt. Zu beachten ist allerdings der große Bedarf an Kali, den die LWG mit gut 250 Kilogramm pro Hektar kalkuliert. Als Standort sind leichtere Böden zu empfehlen, optimal ist sandiger Lehm. Für die Ertragsbildung ist eine ausreichende Wasserversorgung elementar, weshalb laut Rascher eine Beregnung vorhanden sein sollte.

"Frost geht gar nicht"

Beim Anbau muss zudem die Anfälligkeit der tropischen Kultur gegenüber niedrigen Temperaturen berücksichtigt werden. "Frost geht gar nicht", betont Rascher. Aber auch längere Phasen mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt beeinträchtigen die Qualität der Knollen, vor allem in Bezug auf ihre Lagerfähigkeit. Deshalb rät sie dringend dazu, die etwa 90-tägige Wachstumszeit auf dem Feld möglichst zwischen Juni und September zu legen.

Das größte Hindernis beim Einstieg in den Süßkartoffelanbau ist die passende Erntetechnik. Anders als bei Speisekartoffeln pflanzt man bei Süßkartoffeln keine Knollen, sondern sogenannte Grünstecklinge. Diese Stecklinge müssen in der Regel aus Israel oder Irland bezogen werden, zu Preisen von etwa 30  bis 40 Cent pro Jungpflanze. Das schränkt nicht nur die im ökologischen Anbau gewünschte Regionalität ein, sondern macht den Anbau auch sehr teuer. Schließlich werden pro Hektar bis zu 30.000 Stecklinge benötigt.

Im Süßkartoffelanbau werden keine Knollen gepflanzt, sondern sogenannte Grünstecklinge, deren Anzucht aufwändig ist. Foto: Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau.

Erzeugung von Stecklingen erfordert viel Know-how

Es ist zwar grundsätzlich möglich, selber Stecklinge zu ziehen. Immerhin lassen sich aus einer Knolle bis zu 400 Jungpflanzen gewinnen. Dafür benötigt man jedoch laut Rascher entsprechendes Know-how und geeignete Räumlichkeiten. Denn die Knollen müssen bis zu elf Wochen in Topfsubstrat bei 25 Grad Celsius gehalten werden, bis man die Stecklinge aus den gebildeten Ranken schneiden kann. Die eigene Produktion von Stecklingen ist jedoch nur mit einer Sorte möglich, alle anderen Sorten stehen unter Lizenzschutz.

Als Anbausystem hat sich die Dammkultur etabliert, für die man Technik aus dem Kartoffelbau nutzen kann. Das Pflanzen der bewurzelten Stecklinge ist sehr arbeitsaufwändig und geht nur von Hand oder mit einer halbautomatischen Pflanzmaschine, wie sie im Gemüsebau verbreitet sind.

Das größte Problem: Mäuse

Geerntet wird mit Siebkettenrodern oder, soweit vorhanden, mit speziellen Süßkartoffel-Vollerntern. Bei der Ernte ist große Vorsicht geboten, da die Knollen sehr schnell brechen oder Abschürfungen erleiden. Gebrochene Knollen lassen sich nicht mehr über den Lebensmitteleinzelhandel (LEH) vermarkten, genauso wenig wie stark verwachsene oder angefressene Ware.

Qualitätsverluste durch Fraß treten häufig auf. "Vor allem Mäuse sind durch die milden Winter der letzten Jahre zu einem Riesenproblem geworden", berichtet Rascher. Aber auch Ackerschnecken führen oft zu größeren Verlusten. Pilzerkrankungen sind dagegen im heimischen Anbau nicht bekannt.

Geerntete Knollen sind sehr empfindlich

Nach der Ernte ist ein weiterer Bearbeitungsschritt notwendig, das sogenannte Curing. Der Grund: Die Schale ist nach der Ernte sehr empfindlich. Damit die Schale richtig aushärtet, müssen die frisch geernteten Knollen mindestens fünf Tage warm und feucht bei 27 Grad Celsius gelagert werden. In wärmeren Anbaugebieten wie Spanien oder den USA lässt man die Süßkartoffeln für das Curing einfach auf dem Acker liegen, was Arbeit und Kosten spart.

Trotz der vielen Herausforderungen sieht Rascher aber durchaus Potenzial für den heimischen Süßkartoffel-Anbau: "Die Kultur ist bei uns etabliert, Verbraucherinnen und Verbraucher kennen und schätzen das Produkt. Das ist ein großer Vorteil für die Vermarktung regionaler Ware."

Die Schale frisch geernteter Süßkartoffelknollen ist so empfindlich wie bei sehr früh geernteten Frühkartoffeln. Foto: Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau

Große Betriebe als Partner des LEH

Grundsätzlich geht sie davon aus, dass entweder sehr große oder sehr kleine Betriebe mit gartenbaulichem Hintergrund die Herausforderungen bei Anbau und Lagerung am besten in den Griff bekommen. Größere Betriebe mit passender Technik und geeigneten Räumen für Nachreife und Lagerung kommen dabei als Partner des LEH in Frage. Denn der Handel sucht derzeit Süßkartoffeln aus der Region, obwohl importierte Ware zum Teil wesentlich günstiger ist. Für einen rentablen Anbau müssen aber laut Rascher mindestens 1,65 Euro pro Kilogramm erzielt werden.

Für kleinere direktvermarktende Betriebe mit gartenbaulicher Ausrichtung kann sich der Einstieg dagegen schon auf einer Fläche von 1.000 Quadratmetern lohnen. Denn in dieser Größenordnung lässt sich der Anbau noch mit vorhandener Technik und Handarbeit organisieren. Zudem reichen dafür meist die vorhandenen Räumlichkeiten aus.

Weiterer Vorteil der Direktvermarktung ist, dass der Anteil aussortierter Knollen geringer ausfällt als beim Anbau für den LEH und deutlich höhere Preise erzielt werden können. Für direktvermarktende Bio-Betriebe mit festem Kundenstamm kann ein Einstieg im kleinen Maßstab deshalb durchaus interessant sein.

Quelle: www.oekolandbau.de  / Copyright BLE

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