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25.04.2021

Alternative Antriebe

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DLG MITTEILUNGEN

Themen

Digitalisierung, Arbeitswirtschaft und Prozesstechnik Nachhaltige Landwirtschaft Technik Technik in der Pflanzenproduktion Fahrzeugtechnik und Elektronik

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Großes Potential, viele Hürden

Geht es um den Ersatz fossilen Diesels im landwirtschaftlichen Bereich, sind Biodiesel, Biomethan und von Batterien gespeiste Elektromotoren derzeit die aussichtsreichsten Kandidaten. Doch politische und technische Hürden hemmen das Entwicklungstempo.

Es gehört zu den Besonderheiten der europäischen Klimapolitik, dass jeder Sektor für sich seine Emissionsziele erfüllen muss. So tragen Land- und Baumaschinen in Deutschland zwar nur 5 % der Emissionen des Verkehrs bei und Landmaschinen sind an der Verbrennung fossiler Energieträger gar nur mit 0,8 % beteiligt. Die Sektorbetrachtung zeigt: 47 % der von der Landwirtschaft ausgestoßenen CO2-Äquivalente entfallen auf Methan, 40 % auf Lachgas und 13 % auf energiebedingte Emissionen. Unter Letzteren hat die Verbrennung von Dieselkraftstoff in der Landwirtschaft mit 64 % den bei Weitem höchsten Anteil; es folgt die Beheizung von Ställen.

»Bis 2030 müssen die Emissionen landwirtschaftlicher Zugmaschinen um 17 % reduziert werden«, sagte Dr. Axel Kunz von John Deere Ende Januar auf dem Kongress »Kraftstoffe der Zukunft«. Möglichkeiten dazu seien Biokraftstoffe, sparsamere Motoren und Anbauverfahren sowie innovative Antriebe. Die Vermeidungspotentiale bezifferte er auf über 13 % für Biokraftstoffe, bis zu 11 % für technische Verbesserungen sowie 3 % für alternative Antriebe.

Biokraftstoffe: eine Leidensgeschichte. Der landwirtschaftliche Einsatz von Rapsöl und Biodiesel ist nicht primär eine Frage der Technik, sondern der Politik. Schon seit Jahrzehnten gibt es Lösungen mit Rapsöl oder reinem Rapsmethylester (Biodiesel B-100). Heute muss die Landwirtschaft darum kämpfen, diese Lösungen als »Brückentechnologien« überhaupt noch im Gespräch zu halten. Besonders stark engagiert sich dafür neben der UFOP das Land Bayern. Eine Auswertung der Daten von 18 Traktoren (Fendt, John Deere, Deutz-Fahr) der Abgasstufen I bis IV, die über 14 Jahre zusammen 50 000 Stunden gelaufen waren, zeigte im vergangenen Jahr: Reines Rapsöl funktioniert und ist durch das Schrot auch eine Option im Sinne der Kreislaufwirtschaft. »Rapsöl und Biodiesel sind genormt, im heimischen Anbau verfügbar, einfach zu lagern und zu tanken und zudem keine Gefahrstoffe«, sagt Dr. Edgar Remmele vom Biomasse-Forschungszentrum in Straubing. Ebenfalls 2020 hat ein bayerischer Versuchsbetrieb allerdings einen Valtra-Schlepper bekommen, der mit dem (ebenfalls aus Finnland stammenden) Neste-Diesel betrieben wird. Dieser Versuchskraftstoff wird vor allem durch Hydrierung von gebrauchten Pflanzenölen und Fettsäureresten und/oder auch Abfällen der Forstindustrie gewonnen. Hier sind wir beim Punkt: Heute reden wir bei alternativen Energierohstoffen nicht mehr über Raps, Mais und Palmöl, sondern über Altfette, Gülle oder Stroh. Erinnert sich noch jemand an den unerwarteten Höhenflug, den die Agrarpreise nach 2007 genommen hatten, an das Aufkommen der »Tank-Teller-Diskussion«? Seitdem hat die Produktion von Treibstoff aus Anbaubiomasse politisch ein Problem. Zumal dabei über die Düngung auch immer klimagefährliches Lachgas freigesetzt wird.

Kontraproduktive Steuerpolitik. Gleichzeitig aber fabrizierte die Politik im Bestreben, Landwirten zu helfen, einen weiteren »Sargnagel« für die alternativen Kraftstoffe. 2008 nämlich endete die Mengenbegrenzung für Agrardiesel. Was vorübergehend als konjunkturelle Hilfe für gebeutelte Milchbauern gedacht war, führte in den Folgejahren zu einer Achterbahnfahrt der Preisrelationen zwischen Agrardiesel, Biodiesel und Rapsölkraftstoff. Oftmals war seitdem fossiler Kraftstoff günstiger als alternativer. Die Politik hat sich somit heillos verheddert. Sie will den fossilen Diesel ersetzen, finanziert aber jeden in der Landwirtschaft verbrauchten Liter indirekt über die Rückvergütung mit 21,48 Cent. Und gleichzeitig hangelt sie sich bei der Steuervergünstigung für die nicht mehr gewünschten Biokraftstoffe der ersten Generation von Jahr zu Jahr: Die 45 Ct/l waren 2018 für zwei Jahre bis Ende 2020 gewährt worden und jetzt nochmal für ein Jahr bis Ende 2021. Alles mit dem »Erfolg«, dass das Interesse der Landwirte rapide nachließ. Das stimuliert auch nicht das Engagement der Hersteller, Maschinen (gerade der neuen Abgasstufe V) für diese Kraftstoffe freizugeben bzw. Anpassungen vorzunehmen. Ob das Jahr 2021 ausreicht, »Klarheit über die Ausrichtung der Steuerbegünstigungen für Biokraftstoffe« zu bekommen, wie es die UFOP fordert, steht dahin. Genauso unklar ist, ob die Verteuerung von fossilem Diesel über die stufenweise CO2-Bepreisung von 25 bis 65 €/t (2021 bis 2026) genügt, die Biokraftstoffe rechtzeitig »über die Schwelle« zu heben.

Einsparpotentiale für Kraftstoffe: Verfahrenstechnik ausgereizt? Seit ein paar Jahren untersucht die Landtechnikindus­trie verfahrenstechnische Möglichkeiten der CO2-Vermeidung. Dies auch vor dem Hintergrund, dass ja nicht der Schlepper allein für die Höhe der Emissionen verantwortlich ist, sondern vor allem im Zusammenhang mit dem Produktionsverfahren. Hier hatte es seit den 1990er Jahren schon deutliche Verbesserungen gegeben, am meisten durch die Kombination von Bodenbearbeitung und Aussaat sowie die Verbreitung der Kurzscheibenegge bei der Stoppelbearbeitung. Aber wir erleben zum Beispiel mit dem Ersatz des Glyphosates durch mechanische Bearbeitung oder den wieder zugenommenen Pflugeinsatz eher einen Rückschritt als einen Fortschritt. Relevanter erscheint im Zusammenhang mit der Verfahrenstechnik die Weiterentwicklung automatisierter Abläufe, die nach Industrieschätzungen künftig bis zu 15 % Kraftstoff und damit auch CO2-Emission sparen bzw. vermeiden könnten.

Alternativen im Vergleich

Schlepper

CO2-Vermeidungspotential %

Energiekapazität %

konventionell/fossil

0

100

Pflanzenöl (John Deere)

91

93

Methan (New Holland)

89

48

Batteriestrom (Fendt)

100

14

Quelle: Kunz, John Deere

Alternative Energiequellen. Keine Agritechnica kam in den vergangenen Jahren ohne »Konzeptschlepper« aus. Betrieben werden (sollen) diese mit Strom über Wasserstoff oder Batterie, mit Methan oder als Hybrid, also Diesel plus Elektromotor oder Diesel plus Methan. Aber es gibt nur zwei Schlepper bekannter Hersteller, die in absehbarer Zeit serienreif sein dürften: den T6.180 Methane Power von New Holland und den e100 Vario von Fendt.

New Holland setzt stark auf Kreislaufwirtschaft, also die Erzeugung von Methan aus Gülle und/oder Reststoffen in der eigenen Biogasanlage oder sogar (wie in einem Projekt in Brasilien) aus organischen Abfällen der Städte. Damit ist die Klimabilanz ausgeglichen. In den Brennraum des Ottomotors wird reines Methan (CNG) eingespritzt; für die Nachbehandlung des Abgases braucht es lediglich einen Dreiwegekatalysator. Ein durch das vergleichsweise große Volumen des Gases bzw. die begrenzten Speicherkapazitäten bedingter Nachteil ist die geringere Reichweite. Ende 2021 soll der seit 2013 entwickelte Schlepper nun in Westeuropa zu kaufen sein.

Etwas länger wird vielleicht noch die Entwicklung des batteriebetriebenen Fendt dauern. Seine 68 PS kommen aus 100 kWh Batteriekapazität, was einen Dauerbetrieb von vier bis fünf Stunden zulässt. Mit der Schnellladung (die aber nicht überall verfügbar ist) lässt sich die Batterie in 40 Minuten auf 80 % wiederaufladen.

Ein Vergleich als Fazit. Setzt man die Energiekapazität eines Diesel-Schleppers gleich 100 % und das CO2-Vermeidungspotential auf 0 %, wie sehen dann die Alternativen im Vergleich aus? Die Zahlen in der Übersicht stammen von Axel Kunz (John Deere). Sie beziehen sich auf maximale Potentiale und sind aufgrund unterschiedlicher Angaben Näherungswerte. Zweierlei wird deutlich: Die alternativen Antriebe helfen beim Klimawandel. Sie bringen aber unterschiedliche Einschränkungen mit sich. Deshalb wird es künftig kein für alle Einsatzbereiche identisches System geben. Und der Dieselmotor wird mit fossilem Kraftstoff noch so lange laufen, wie man ihn lässt bzw. die CO2-Abgabe noch (zu) niedrig ist.

Thomas Preuße

Dieser Beitrag ist erschienen in DLG-Mitteilungen Heft 4/2021 und ist auch zu finden unter dlg-mitteilungen.de Entdecken Sie Innovationen, Trends, Geschäftsideen und vieles mehr. Unser Blog steht für Meinung und Diskussion, für Wissenswertes und Interessantes. Wir liefern Fakten und Argumente. Viel Spaß beim Stöbern!

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